Hier können Sie die Predigt von Pfarrer Maximilan zum Jahresschluss 2024 nachlesen.
Predigt Jahresschluss, 31.12.2024, Lembach
Perikopen: 1 Joh 2,18-21 Joh 1,1-18
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Welche Möglichkeiten haben wir das vergangene Jahr zu bewerten? Wir können fragen, ob es ein gesundes Jahr war, Gesundheit ist ein hohes Gut. Wir können fragen, ob es uns finanziell etwas eingebracht hat. Aber Geld und Erfolg sind bekanntlich nicht alles. Wir können fragen ob es ein beziehungsreiches Jahr war, ob die Beziehungen gepasst haben.
Es gibt viele Möglichkeiten das vergangene Jahr anzuschauen. Ich möchte es mit der wichtigen Eigenschaft des Interesses tun. War das Vergangene ein interessiertes Jahr? Welche Bereiche darf ich mit Interesse belegen?
Drei Gedanken dazu.
Erstens: Interesse für das Geschehen in der Welt.
Wer sich ein ehrlich wenig für das Geschehen in der Welt, auch in der eigenen Welt interessiert, dem wird doch ein wenig Unbehagen aufsteigen. Es gibt viele Krisen in der Welt, das steht außer Frage. An den Ukrainekrieg und die Konflikte im Heiligen Land haben wir uns gewöhnt. In der Politik happert es auch. Wir haben immer noch keine Regierung und Deutschland hat keine Regierung mehr. Und dass man in den USA einen 78-Jährigen zum Präsidenten wählt, der auch schon einige Skandalgeschichten mitbringt, kann einem nur wundern. Aber jedes Land bekommt die Politiker, die es wählt und sich verdient. Das Vertrauen in die Verantwortlichen von Staat, Gesellschaft und Kirche ist vielfach verloren gegangen. Wir befinden uns in einer ganz tiefen Vertrauenskrise. Es tut und da vielleicht gut uns ein Wort Jesu sagen zulassen: „Habt Mut, habt Vertrauen, ich bin es fürchtet euch nicht.“ Im öffentlichen Diskurs sind die beiden Begriffe Allgemeinwohl und Eigenwohl wichtig. Unbestritten ist, dass der Mensch auf sein persönliches Wohlergehen schauen muss. Aber vielfach wird das Eigenwohl vor das Allgemeinwohl gestellt, beziehungsweise wird das Allgemeinwohl beschnitten. Grund ist eine starke Angst zu kurz zu kommen. Wir dürfen uns schon die Frage stellen, ob es uns nicht nur freut, wenn es uns gut geht, sondern auch den anderen. Ich denke, wir sollen schon Interesse haben für das, was sich in der Welt tut. Wir können daraus lernen, können nachdenken, können überlegen, wo wir selber unseren Lebensstil ändern können, vor allem auch unser Sozialverhalten. Das alte Sprichwort aus Afrika stimmt einfach: „Wenn viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, viele kleine Schritte tun, dann verändert sich das Angesicht der Erde.“ Fangen wir an mit den kleinen Schritten. Sie können die Welt ändern, auch wenn man das vielleicht nicht immer gleich sieht.
Zweitens: Interesse für Gott.
Im Evangelium war die Rede vom Wort, das Gott in die Welt sendet, um in ihr Fleisch zu werden. Der große Theologe Karl Rahner spricht einmal davon, dass wir sehr froh sein müssen, dass wir das Wort Gott haben. Alleine das Wort Gott lässt diese Wirklichkeit für uns da sein. Und Karl Rahner sagt auch, wo der Mensch das Wort Gott nicht mehr kennt, er sich zu einem findigen Tier zurückgekreuzt hat, er eigentlich aufhört richtig Mensch zu sein. Wie sieht es mit meinem persönlichen Interesse für Gott aus? Interessiere ich mich für ihn? Möchte ich eine liebende Beziehung zu ihm haben? Möchte ich Jesus, wie es ein anderer Theologe sagt, buchstäblich um den Hals fallen? Eine große Hilfe kann uns die neue Übersetzung von Psalm 84 sein. Die bringt für mich Wesentliches zum Ausdruck. In der alten Übersetzung hieß es: „Selig, die Menschen, die Kraft finden in dir, wenn sie sich zur Wallfahrt rüsten.“ Die neue Übersetzung spricht nicht vom Menschen, die sich zur Wallfahrt rüsten, sondern von Menschen, „die Pilgerwege im Herzen haben.“ Pilgerwege im Herzen haben. Das ist eine sehr schöne Formulierung, die eigentlich nichts anderes ausdrückt, als das mein Lebensweg ein Weg mit Gott ist und, dass ich meinen Lebensweg als Weg zu Gott verstehe. Das erste Ziel eines Getauften ist immer das ewige Leben. Interesse für Gott heißt Interesse für das ewige Leben. Heute ist ja auch der Gedenktag des hl. Papstes Silvester. Zu seiner Zeit wurde freie kirchliche Religionsausübung möglich. Wie froh waren damals die Menschen, dass sie sich gemeinsam und öffentlich zum christlichen Gott bekennen durften. Eusebius von Cäsarea beschreibt die damalige Zeit, in der das Christentum öffentlich wurde und viele Kirchen gebaut wurden sehr eindrücklich. Was für eine christliche Dynamik ist in seinen Worten spürbar, wenn er schreibt: „Vor allem, aber in uns, die wir alle Hoffnung auf Christus setzen, herrschte eine unfassbare Freude. Eine überirdische Heiterkeit leuchtete vom Gesicht aller.“ Eine überirdische Heiterkeit im Gesicht. Das ist es! Schaut euch daheim einmal im den Spiegel, ob das stimmt? Und wenn nicht dann wascht euch das Gesicht im Wasser des Intereses für Gott.
Drittens: Interesse für das kirchliche Leben in Lembach.
Da sage ich zuerst einmal danke für alle, die sich in irgendeiner Form für die Pfarre Lembach engagieren. Manchen ist sehr viel möglich, manche sind bereit sich immer wieder einzubringen. Es ist schon erfreulich, was bei uns ehrenamtlich geschieht. Jeder Beitrag, auch jeder finanzielle, und die Lembacher/Innen sind beim Spenden für pfarrliche Zwecke sehr großzügig. Ich sage in einer allgemeinen Persönlichkeit jedem Danke dafür, oder noch besser Vergelts Gott, weil das wie Gott sieht und vergilt, menschlichen Dank und Applaus, bei Weitem übertrifft.
Ein großes Danke, sage ich jenen, die regelmäßig unsere Gottesdienste besuchen. Wir dürfen dankbar sein für die großen Feste, gut musikalisch vom Kirchenchor gestaltet mit unseren verlässlichen Ministranten und auch die Familienmessen, gut und ansprechend vorbereitet. An den gewöhnlichen Sonntagen sind leider oft sehr wenige, die kommen. Das lässt sich nicht beschönigen. Und eigentlich würde man es sich als Pfarrer in einer derart großen Pfarre wie Lembach schon erwarten dürfen, dass am Ostersonntag und Weihnachtstag einmal richtig voll ist. Aber es sollen auch nicht jene, die verlässlich kommen, das abbekommen, was sie nicht verdient haben. Wir dürfen uns freuen über jene Menschen denen das kirchliche Leben hier wichtig.
Wir dürfen uns freilich auch nicht über jene Menschen hinwegtäuschen, die nicht mehr kommen oder mitunter sogar aus unserer Glaubensgemeinschaft ausgetreten sind und das ist in Lembach schon sehr massiv. Wer diesen Schritt setzt muss jedoch auch mit den Konsequenzen leben lernen, und ein Kirchentritt von Verstorbenen ist eben nicht mehr möglich. Der freie Wille ist wahrscheinlich unser einzig wahres Eigentum. Ich habe einmal gelesen, dass der erste Schritt sich von der Kirche zu entfremden das Fernbleiben vom Sonntagsgottesdienst ist. Es ist der erste Schritt der Distanz, dem oft weitere folgen ist es zum Bruch kommt. Das Gebot „du sollst den Tag des Herrn heiligen“ gilt nach wie vor, auch wenn es der Mainstream anders sieht. Interessant ist für mich auch, wie sich Menschen, die nicht in die Kirche gehen oft als die besseren Katholiken sehen: „Ich bin so ein guter Mensch. Ich brauch nicht in die Kirche gehen. Schau dir an, der oder die geht jeden Sonntag hinein, und ist im Alltag so gehässig.“ So hört man es oft. Das erinnert mich oft an die Erzählung Jesu vom selbstgerechten Pharisäer und vom sündigen Zöllner, der um seine Armseligkeit weiß und der sagen kann: „Gott sei mir Sünder gnädig.“ In die Kirche dürfen eben nicht nur die vermeintlich selbsternannten Guten kommen, sondern eben auch die Sünder. Und Gott hat mehr Freude an einem einzigen Sünder der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben.
Mit Sorge beobachte ich die Entwicklung der Begräbniskultur in Lembach. Die Individualisierung und Privatisierung schreitet hier sehr voran. Was bleibt jedoch übrig, wenn für die Verstorbenen nicht mehr gebetet werden darf und die christliche Hoffnung am Altar nicht mehr gefeiert werden kann, weil Angehörige damit nichts mehr anfangen können. Was bleibt übrig? Es werden rein menschliche Erinnerungsfeiern ohne die christliche Hoffnung auf das ewige Leben. Wie arm wären die Verstorbenen, wenn sie nur von unserer Erinnerung abhängig wären.
Ermüdend ist für mich die immer wieder kehrende Diskussion um Erstkommunion und Firmvorbereitung, für die man nach der Ansicht mancher, nicht aller, ja heute nichts mehr verlangen darf. Der Minimalismus, den ich hier bei Vielen, nicht bei Allen beobachte, ist aufreibend. Wie sehr habe ich mich als Kaplan auf Erstkommunion und Firmung gefreut. Heute ist es eher eine Belastung für mich geworden. Aber man tut es halt für jene Wenigen, denen es wichtig ist, und muss die Religion nach Nascher-Art irgendwie aushalten. Leider werden hier mitunter Probleme der Eltern zu Problemen der Kinder gemacht. Gerade Erstkommunionkinder sind sehr offen für Religiöses und sind gerne in der Kirche mit dabei. Das Fest für sich allein kann nicht leben. Es braucht den Weg davor und danach. Und für mich gilt jedoch, dass was wertvoll ist auch etwas kosten darf. Und als wir vor zwei Jahren Dekanatsvistation hatten, bei der jeder Seelsorger ein persönliches Gespräch mit Bischof Manfred hatte, da habe ich ihm meine Sorge und meinen Zugang über Erstkommunion- und Firmvorbereitung gesagt. Und Bischof Manfred hat mir gesagt: „Du darfst auch etwas verlangen.“ Interesse für das kirchliche Leben ist wichtig. Das ermöglicht, dass die Kirche im Ort bleibt.
Liebe Brüder und Schwestern!
Das Interesse ist wichtig. Von ihm aus dürfen wir das vergangene Jahr in den verschiedenen Bereichen beurteilen. Und mit Interesse dürfen wir in das neue Jahr gehen. Vielleicht wäre es angebracht, dass wir uns heuer einmal ein interessiertes neues Jahr wünschen. Und wenn wir in der Weihnachtszeit öfters hören, dass Maria im Herzen bewahrt, dann ist sie uns darin ein Vorbild. Im Herzen bewahren, das ist die höchste Form des Interesses, das man haben kann. So dürfen wir an der Hand unserer himmlischen Mutter hinübergehen von jenem Jahr 2024, das hinter uns liegt, ins Jahr 2025 das vor uns liegt. Amen.